Freitag, den 06. Juni 2008

Fahrt durch Albanien und Montenegro



Es war noch dunkel, als wir damit begannen, unser Raumschiff für die Durchquerung von Albanien startklar zu machen. Das Frühstück verlief schweigsamer als sonst, wenn ich noch nicht richtig wach bin, bin ein kein guter Unterhalter, und das ist noch geschmeichelt. Aber da war noch etwas, eine gewisse Bangigkeit, wie wird es werden, in Albanien? Wir werden sehen...

Schnell erreichten wir die Autobahn, welche uns westlich von Kastoria nach Norden brachte. Nach 30 Kilometern biegt eine kleine Straße nach links ab, die durch ein grünes, waldgesäumtes Tal führt. Traumhaft. Verkehr gibt es so gut wie keinen. Nur, die ein oder zwei Fahrzeuge, die uns entgegenkommen, mit albanischen Kennzeichnen, sind beides alte Daimler Diesel, so 20 bis 30 Jahre alt, seltsam - meint Waldameise. Wir erreichen Krystallopigi und ehe man den Gedanken verarbeitet hat, daß dies die letzte griechische Siedlung vor der Grenze ist, kommt auch schon das Ortsende.

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Apollo 13 ist klar zum Verlassen des Orbits, auf zu neuen Welten. Aber vorher gilt es, eine mittlerweile in's Vergessen geratene Prozedur über sich ergehen zu lassen: den Grenzübergang, so richtig mit Kontrollen. Hm, wir haben ein gutes Gewissen, bis auf den Überlebenseimer, der mit den Zweiliterflaschen Schnaps. Auf der griechischen Seite wurden wir gefragt, was sich in der Heckgarage befindet. Aha, aber den Griechen sollte es doch recht sein, wenn wir möglichst viel von ihren Produkten vertilgen, so fing ich an: "Kleider, Stühle, Rucksäcke ..", aber das wollte die nette junge Dame, die perfekt deutsch sprach, gar nicht wissen. "Kein Motorroller oder sonst etwas mit Motor?". Ach darum geht es, "Nein, wir haben nichts dabei, für das wir weitere Papiere vorzeigen müßten".

Kurze Zeit später durften wir ausreisen. Auf der albanischen Seite gab es auch keinerlei Probleme. Das Übliche eben, Päße, Autopapiere und als Besonderheit, das Bezahlen einer "Sondergebühr", für was die auch immer gut sein sollte. "Wieviel?" Die Antwort habe ich nicht verstanden, eine Zwei war dabei - wenn's denn sein muss, die zwanzig Euro bringen uns auch nicht um. Den Zwanziger unschlüssig in den Fingern wendend, sah mich der Diensthabende an, er hob nochmals zwei Finger in die Höhe. Oha, zwei, nicht zwanzig. Ich hatte es passend und bezahle das Lösegeld für den Zwanziger. Zwei Euro, dafür diesen Aufwand, aber es wird sich für die Albaner wohl rechnen. Dann gab's ein freundliches Lächeln, auf beiden Seiten - und wir waren in Albanien.

Ich weiß nicht was ich von diesem Land erwarten sollte. Arm sind sie, die Straßen sind teilweise hundsmiserabel, Tirana ist der Verkehrshorror schlechthin, die Leute werfen mit Steinen, die Leute sind ungewöhnlich freundlich, es gibt nicht immer Verkehrsschilder und noch viel mehr Vorurteile schleppte ich in dieses Land. Wie soll man sich da ein Bild machen, bei soviel Beeinflussung? Also war die Device, alles vergessen, was man gehört hat, vorsichtig und offen selbst sehen, wie es ist.

Der erste Eindruck war - es gibt viel Landschaft.

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Die Straße war in sehr gutem Zustand und es gab nur wenig Verkehr, allerdings schien der zu 95% aus alten Diesel Daimler zu bestehen, wirklich! Von zehn Fahrzeugen waren mindesten neun einer dieser altenDinger. Wir kamen auf der Traumstraße so schnell voran, daß wir guter Dinge waren, am Abend auf dem Campingplatz in Trpanj (gegenüber von Ploce) bei einem kühlen Bier die bestandenen Abenteuer der wartenden Verwandtschaft mitzuteilen. Dann geschah es. Die wunderbare Straße wurde unversehens zur Baustelle

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und mutierte zur Ansammlung aller denkbaren Unebenheiten: Fahrrinnen,Schlaglöcher, Wellblechpiste, Absätze und was weiß ich. Unser Geschwindigkeit sank rapide und näherte sich öfters der von Fußgängern. Hier war alles unterwegs, Laster, Autos, Pferdefuhrwerke, Fahrradfahrer und Fußgänger, und immer mit dabei, der Staub.

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"Kommandant an Besatzung. Wir passieren einen kosmischen Nebel, alle Luken sind zu schließen!"

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Die Fahrradfahrer konnten einem wirklich leid tun!

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Aber wozu klagen, die vorzügliche Straße, nach der Grenze, mußte ja auch erst einmal gebaut werden. Und jede Baustelle hat einmal ein Ende, also weiter.

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Die Landschaft südlich von Tirana, durch die wir fuhren, erinnerte mich immer wieder an Gemälde alter Meister, als wäre die Zeit stehen geblieben.

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Ist es nicht sonderbar, in einem bisher noch nie bereisten Land sind die Sinne für kleinste Details geschärft, man nimmt Kleinigkeiten wahr, für die man zu hause abgestumpft ist. So erschien uns alles neu, interessant, wir sahen wieder ein klein wenig mit Kinderaugen.

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Wir kämpften uns weiter nach Norden. Dass die Straße gebaut werden muss, verstehe ich ja, aber daß das gleich auf 30km sein muß, ist nicht so leicht einsichtig. Trotz holpern, rumpeln Staub und Flüchen, kamen wir vorwärts und erreichten ohne Blessuren jene Gedenktafel, die meinen Groll auf die Straßenbauer etwas besänftigte:

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Westlich des Ohridsees war das Wetter trübe, an den Bergen bildeten sich Wolken, der See lag da wie flüssiges Silber und das kräftige Rot der Mohnblumen leuchtete in einer Intensität, die sich leider nicht photographieren läßt. An dieser schönen Stelle legten wir rechts der Straße an. Ein starker Kaffee und eine Kleinigkeit gegen den Hunger verschoben das Gleichgewicht der Gefühle wieder etwas mehr Richtung Urlaub.

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Weiter nördlich und etwas später gab es schon mehr blauen Himmel zu sehen, und seltsam anrührende See-Restaurants.

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Die meisten Bilder, die wir von Albanien mitgebracht haben, wurde während der Fahrt durch die (getönten) Scheiben aufgenommen, das erklärt auch den Farbstich. Aber es gibt lobenswerte Ausnahmen.

"Hast du eben den Esel gesehen?" frug ich, schon nach einer Möglichkeit zum Anhalten spähend. Ich mußte mich beeilen, ich wollte den Blumen- und Grastransport von "vorn" ablichten, und der Esel kam immer näher. Photoapparat? Hier. Schuhe? Mist, wo sind die Schuhe? Hilft alles nichts, also, Tür auf und rausgesprungen, in Socken. So standen wir uns gegenüber. Ich versuchte verständlich zu machen, daß ich gerne den Esel knipsen würde, und ob ich das dürfe. Wie weiß ich jetzt, daß der Eseltreiber keine Einwände hat? Dieser lachte mich an und teilte dem Esel mein Begehren mit, jedenfalls hielt der Graue an und stellte sich in Positur. Danke - wie auch immer das heißt,aber Lächeln und Winken wurden genau so gut verstanden.

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Wir haben mittlerweile mehr als die Hälfte des Sees in Richtung Norden hinter uns gelassen und näherten uns der mazedonischen Grenze. Kurz vorher schwenkt die Straße nach Westen, den See hinter uns lassend fuhren wir durch die Berge in Richtung Elbasan, danach geht es wiederum nach Norden ,in Richtung Tirana. Kurven gab es zur Genüge, die Absicherung war teilweise abenteuerlich.

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Auf dem Weg durch die reizvolle Berglandschaft gab es soviel zu sehen und noch mehr zu erahnen, daß ich öfters dachte, man müsste sich für diese Gegend mindestens zwei Wochen Zeit nehmen, um mit diesem Land wirklich einmal in Berührung zu kommen. "Was das wohl soll", sinnierte Waldameise, "was sie wohl meint", ging es mir durch den Kopf. Der Auslöser unserer Überlegungen waren am Rand derStraße aufeinander folgende, senkrecht nach oben gerichtet Wassersträhle. Beim Nächsten sah man mehr, es war ein nach oben gerichteter Wasserschlauch, beim Nächsten erhaschten wir einen Blick auf Stangen, mit einem bürstenähnlichen Ende, etwas später konnten wir sehen, wie ein von der Fahrt durch die Baustellen eingestaubtes Auto an solch einer Stelle gewaschen wurde. Das war des Rätsels Lösung. Hier haben findige Jungunternehmer die Gunst der Stunde erkannt und flugs ihre Version einer Autowaschanlage realisiert.

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Westlich auf Elbasan zufahrend, hatten wir die Begegnung mit einer farbenprächtigen Eisenbahn.

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Elbasan liegt ziemlich genau in der Mitte von Albanien. Bei der Durchfahrt stach der riesige Hüttenkomplex in's Auge, welcher jährlich über 100.000 Tonnen Stahl produziert. Auch diese Stadt wäre es wert, mehr Zeit für sie aufzubringen. Es verfestigt sich der Gedanke, Albanien später einmal intensiver zu bereisen.

Nicht weit nach Elbasan, immer noch in Richtung Westen fahrend, kletterten wir schlangengleich steil bergauf. Die Kurven waren mehrfach abgesichert, sowohl physisch als auch metaphysisch.

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Nach der Kletterei wendet sich die Straße in Richtung Norden, auf Tirana zu. Auf dieser Strecke, von Elbasan nach Tirana, verläuft die Straße ein Stück als Kammstraße mit herrlichen Ausblicken. Teilweise war sie so schmal, daß ich vom Fahrersitz aus das Gefühl hatte, in einem Hubschrauber den Bergkamm entlang zu fliegen. Leider war an ein Anhalten nicht zu denken. Wenig später wurde die Straße etwas breiter und wir fanden, eng, rechts an den Abhang gequetscht, genügend Platz, um von der Straße runter zu kommen. Nichts wie raus, beim Öffnen der Anbautür bot sich dieser grandiose Ausblick:

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Jetzt noch den Gashahn auf, damit Waldameise den Herd in Betrieb nehmen kann und mit dem Photo auf Erkundungstour, dann zurück in's schnuckelige Heim und schnell war der Stress der letzten Stunden vergessen.

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Ich habe das Gefühl, daß ich bei diesem Tempo, mit diesen Pausen, ewig fahren könnte. Nicht viel später verließen wir den Bergkamm und wieder einmal ging es in Serpentinen nach unten. In einer Linkskurve entdeckte Waldameise eine sonderbare Hütte, direkt am Straßenrand. Bei genauem Hinsehen entpuppte sich der Bau als Metzgerei, ja, wir essen Fleisch gerne, aber diese toten Tiere hier so hängen zu sehen trübt diesen Genuss ganz erheblich.

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Durch langsam zunehmenden Verkehr sowie stetig zunehmender Verbauung kündigte sich Tirana an.

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Dann ging es ganz schnell, beinahe unvermittelt brach das Chaos über uns her. Noch ein, zwei Kreuzungen und wir waren mitten im Verkehrsgewühl.

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Tirana, was habe ich nicht alles vorher darüber in Erfahrung gebracht. Ich hätte also vorgewarnt sein sollen, was den Verkehr anbelangt. Mich hat es trotzdem überwältigt.

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Die Straßen prägt ein unglaubliches Gewimmel. Daß es keine wirkliche Spuren gibt und jeder so fährt, wie es gerade passt, daß jede kleinste Lücke sofort dazu benutzt wird, sich um zwei Meter vorzumogeln, das kenne ich auch aus anderen Ländern. Mehr Probleme hatte ich dagegen mit den plötzlich auftauchenden Radfahren, die uns zwischen den Fahrzeugen entgegen kamen. Die Krone setzten dem ganzen aber die Fußgänger auf. Das war für mich völlig ungewohnt. Jederzeit, aus jeder Ecke, konnte ein Fußgänger auftauchen, neben den Straßen ging es zu, als sei Jahrmarkt. Das Schlimmste waren dabei die Kamikaze-Renner. Ja doch, die liefen wirklich um ihr Leben. Ohne Vorwarnung sprinten sie los, quer über die Straße, in vollem Tempo, das schien aber auch nötig, Bremslichter habe ich keine aufleuchten sehen. Was keiner schrieb, das ist die Sache mit den nicht vorhandenen Richtungsschildern, zumindest kann ich mich nicht erinnern, welche gesehen zu haben.

Bei der Vorbereitung der Touren habe ich die Durchfahrt durch Tirana mit Hilfe von GPS Karten und Google Earth geplant. Dabei habe ich versucht, große Straßen zu finden, die möglichst nicht durch das Zentrum führen. Diese Route war im GPS hinterlegt, Alternativen gab das GPS keine her. So mußten wir nur dem Faden der Ariadne folgen, oder anders ausgedrückt, wir hatten keine andere Wahl, wir mußten auf der geplanten Route bleiben. Am Anfang sah unser Unternehmen leicht lösbar aus. Wir fuhren die Hauptstraße in Richtung Zentrum. Auf dieser breiten Straßen lies sich leicht Kurs halten. Aber ich hatte mich zu früh gefreut. Die gerade, breite Straße geniesend ,wollte ich nicht glauben, daß das Navi uns wirklich nach links, in eine sehr schmale Straße lotsen wollte. Das kann nicht sein, pflichtete Waldameise bei, da kommt sicher noch eine große Kreuzung mit Schildern. Das Dumme war nur, daß wir mit dieser Entscheidung unseren roten Faden verloren, langsam verschwand dieser aus der kleinen Anzeige des GPS. Als wir dann die Statue zu Gesicht bekamen, welche im Zentrum steht,

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war mein ganzer Kommentar: "Ich drehe um, ohne Plan mitten rein in diese Stadt, das traue ich mir nicht zu, Kozani war schon schlimm genug!", und ich drehte an der nächsten Kreuzung um, und den roten Faden wieder zu finden. Die kleine Straße erwies sich als goldrichtig, es wurde zwar eng,

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aber nach einer kurzen Strecke spuckte sie uns wieder aus, mitten auf eine vier - bis sechsspurige Riesenstraße. "Laut Navi teilt sich da vorn die Straße V förmig, wir müßen uns links halten" sagte ich zu Waldameise und war schon dabei, die zahlenmäßig nicht genau festgelegten Spuren zu wechseln, bis ich mich ganz links befand. Dann kam der Abzweig und wir fuhren links, die anderen alle rechts. "War da nicht gerade ein Schild, roter Kreis mit weißem Querbalken?", wunderte sich Waldameise. Hm, kann eigentlich nicht sein, uns kamen zwar auf allen Spuren Fahrzeuge entgegen, aber keiner winkte, hupte oder schaute uns verwundert an. Nur, auch auf beiden Straßenseiten parkten die Autos mit der Schnauze zu uns. Jetzt war mir doch mulmig zumute. Ich fuhr betont vorsichtig die wenigen hundert Meter, dann kam von rechts ein mächtiger Strom von Fahrzeugen und mit ihnen der Teil der Straße, der vorher den rechten Schenkel des V's gebildet hatte. Vermutlich war es doch eine Einbahnstraße, unglaublich!

Vielen Dank an alle Albaner, die so gelassen hinnahmen, wie Apollo 13 verkehrt herum eine mehrspurige, dicht befahrene Einbahnstraße durchfuhr. Ob ich das mal in Berlin versuche?.

Auffällig sind die kunterbunt gestrichenen Fassaden, hier haben wir ein besonders farbenfrohes Beispiel.

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Die Straße bog nach Norden, stieß in einem riesigen Kreisverkehr auf die vom Zentrum kommende Ausfallstraße, welche nach Durres führt, der Hafenstadt nordwestlich des Kreisverkehrs. Ihr folgten wir ein Stück. Nach wenigen hundert Metern verließen wir die Hauptstraße und schwenkten erneut nach Norden , mit der Grenze zu Montenegro als Ziel. Dadurch gelangten wir in einen der Außenbezirke von Tirana. Dieser Stadtteil wurde durch Handwerksbuden, Hinterhofwerkstätten, Leben auf der Straße, Slums und Baustellen geprägt, ein unvorstellbares Gemenge. Ich habe immer noch nicht diese vielen unterschiedlichen Eindrücke sortiert, es ist deshalb besser, ich zeige nur die Bilder und enthalte mich weiterer Kommentare.

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Durch! Wir waren durch, endlich. Jetzt, so hofften wir, geht es zügig weiter, die Straße sieht brauchbar aus.

Das Tor zur neuen Welt!

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Bei Lehze schrammten wir beinahe die Küste der Adria. Die weitere Route ging aber nochmals in das Landesinnere, unsere nächsten Ziele waren Shkoder, Hani i Hoti - der Grenzübergang, Podgorica und Petrovac, kurz und gut, die Route verlief rund um den Skutarisee.

Shkodra, das erste Etappenziel, liegt an der südöstlichen Spitze des Skutarisees (montenegrinisch Skadarsko Jezero, albanisch Liqeni i Shkodrës). Er ist der größte See der Balkanhalbinsel und gehört zum Teil zu Albanien, zum Teil zu Montenegro. Die Nordseite des Sees besteht über große Strecken aus versumpftem Flachland. Über Shkodra selbst habe ich unter anderem folgendes gefunden:

"In und um Shkodra ist seit Beginn der 90er Jahre das albanische Gewohnheitsrecht wieder aufgelebt. Ohne dieses genau zu kennen, glauben viele, Blutrache ausüben zu müssen. Hunderte von Familien in der Region können ihr Haus nicht mehr verlassen, weil sie von der Blutrache bedroht sind. Inzwischen sind unabhängige Organisationen und Privatpersonen in der Versöhnung der verfeindeten Parteien engagiert. Dank dieser Vermittlung hat sich die Lage in den letzten Jahren merklich entspannt. So wurden in den Jahren 2004 bis 2006 im Qark Shkodra nur noch ein oder zwei Blutrache-Morde pro Jahr registriert."

Wie gut, daß wir es eilig hatten, angehalten haben wir nicht. Shkodra hat, wie viele Städte in Albanien, eine sehr bewegte Vergangenheit und diese hinterlies ihre Spuren.

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Die Straße in Richtung Grenze war zwar asphaltiert, aber irgend etwas war trotzdem oberfaul. So etwas muß man erlebt haben, um es zu glauben. Die zernarbte Oberfläche war immer wieder geflickt worden, so wechselten sich kleine Löcher im Belag mit den Stoßkanten der obendrauf gesetzten Flecken ab, dazu die Welligkeit des Unterbaus, das ergab ein Gemenge von Anregungen über alle Frequenzen, welche das Womo bocken, hüpfen und schwanken lies. Das Klangorchester bestand aus Ächzen, Knarren, Poltern, dem Stakkadogeklapper der Teller und meinen obszönen Flüchen. Die einzige Lösung bestand darin, nicht schneller als 20km/h zu fahren und das über eine Stunde lang; wir wurden von allen denkbaren Fahrzeugen überholt, aber - wir kamen voran, wenn auch der Traum vom abendlichen Bier auf dem Campingplatz immer mehr verblasste.

Hier, das sind die ultimativen Fahrzeuge, nur zwei Räder, die aber groß, und der der Antrieb setzt zu 100% auf nachwachsenden Treibstoff.

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Die Straße wurde immer einsamer, besonders frequentiert scheint der Grenzübergang nach Montenegro nicht zu sein.

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Hani i Hoti, der Grenzübergang, endlich - jetzt nur noch kurz durch Montenegro, dann noch kurz ein Stück die Adria entlang, dann noch ... , Mann oh Mann, ich glaube, ich habe mich übernommen. Aber noch haben wir Zeit. Am Grenzübergang selbst traute ich mich nicht zu photographieren, obwohl es in allen Fingern juckte. Der montenegrinische Beamte hätte vor einigen Jahren auch an der innerdeutschen Grenze stehen können, so wie der sich gegenüber den Albanern, vor uns in der Reihe, aufgeblasen hat. Da muß es ganz schön geknistert haben, denn nach der Abfertigung schmierte der Fahrer des albanischen Fahrzeuges seinen ganzen Frust mit durchdrehenden Reifen auf den Asphalt.

Von uns wollte er nicht viel, die üblichen Papiere und eine weitere 2-Euro Gebühr. Ich gestehe ein, ich war schon etwas erleichtert, Albanien hinter uns zu haben, ich konnte auf bessere Straßen hoffen und damit lag das Fernziel, der Campingplatz bei Trpanj (gegenüber von Ploce), immer noch in Reichweite.

Aber es kommt immer anders, als man denkt. Die Straße war schon etwas besser, nicht so materialmordend, dafür aber eng, der Laster vor uns war unüberholbar. Dies nicht nur wegen der engen Straße, sondern auch wegen dem halsbrecherischen Tempo, welches er vorlegte. "Stell dir vor, dir kommt so ein Teil entgegen", grübelte Waldameise. Stimmt, so hat es auch etwas Gutes, daß der Brummer vor uns her fährt, in seinem Windschatten sind wir sicher, gab ich mich zufrieden und genoss die Aussicht auf die versumpften Ufer des Skutarisees

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Der Tag ging, "Apollo 13" flog unermüdlich weiter. Wir erreichten die Küstenstraße, die uns nordwestlich, Richtung Kroatien, führte. "Jetzt hätte ich gern das Motorrad unter'm Hintern, statt dieses Raumschiff", war mein frommer Wunsch, denn der Verkehr an der Küste war zum Hörner kriegen. Immer wieder tauchte vorn ein langsamer Russler auf, Bus, Bagger, Sattelschlepper, eben alles was langsam ist, stinkt und auf der kurvenreichen Straße nicht überholt werden kann. Aber dann kam die Erlösung! Der Bus und sein Kometenschweif von Fahrzeugen fuhren geradeaus weiter, unser Navi lotste uns nach rechts, hinauf in die Berge. Das war schlecht und gut. Schlecht deshalb, weil uns das über eine Stunde an Umweg gekostet hat, rings um die Bucht von Kotor herum; das Navi hat die Fährverbindung ignoriert.

Dummes Navi!>

Gut war es, weil - wir haben Urlaub! Wenn's denn nicht mehr reicht, bis nach Trpanj, dann kommen wir eben am nächsten Tag an, die tollen Ausblicke in die Bucht haben uns reichlich entlohnt.

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Am Ende der Bucht, wieder in der Nähe der Mittelmeerküste, überquerten wir die dritte Grenze an diesem Tag. Der Beamte auf der kroatischen Seite war mir sympathisch, und müde, wie ich war, wagte ich es: "Verzeihung, ich bin ziemlich müde und würde deshalb gerne mit dem Auto hier stehen bleiben, ist das möglich?" "Ja sicher, fahren sie gleich hier rechts, da gibt es Parkplätze" "Ich meine, ich möchte die ganze Nacht hier bleiben" "Die ganze Nacht, das ist weniger gut. Aber wenn sie hundert Meter weiter fahren, dann kommen sie an ein aufgegebenes Restaurant, auf dem Parkplatz dort können sie bleiben".

Ich war so froh, gefragt zu haben. Neben dem ehemaligen Restaurant gab es einen ebenen ,betonierten Platz, ausreichend für unser Womo, daneben eine größere, geschotterte Stellfläche. Und wieder einmal möchte ich ausrufen: "Es lebe das Wohnmobil!"

Schnell war die Wohnkonfiguration hergestellt und im Schutz der Grenzbeamten hatten wir eine sorgenfreie Nacht.