Freitag, den 30. Mai 2008

Aoostal und Fahrt zum Limni Vegorritis



Heute ist erst der neunte Urlaubstag, ging es mir durch den Kopf, als ich noch mit geschlossenen Augen dem Erwachen des Tages lauschte, und wir haben schon so viele Eindrücke gesammelt. Mit dem heutigen Tag beginnt eigentlich ein zweiter Urlaub, der wieder ganz anders sein wird. Und all das ist nur möglich,weil wir mit dem Wohnmobil unterwegs sind; wir sind mobil, flexibel, unabhängig, für jedes Wetter gerüstet und mit genügend "Kofferraum" auch in der Lage, für alle geplanten Unternehmungen die notwendige Ausrüstung mitzunehmen, dazu ist es noch bequem, Waldameise ist nicht in einen Schlafsack weggeschlossen und vernünftig frühstücken kann man auch.

KAFFEE!

Dieser Gedanke verscheuchte den Rest an Schlafwilligkeit und ich sprang leichtfüßig, federnd aus dem Bett - ok, ertappt - ich gebe zu, die Beine waren ziemlich steif und ich krabbelte Richtung Naßzelle. Kein Wunder, soviel wie in den letzten Tagen bin ich vielleicht vor über 30 Jahren bei der Bundeswehr gelaufen - und man wird nicht jünger.

Wohl deshalb hat Waldameise darauf bestanden, daß wir bei der Überführung des Womos, vom Pindos zum Limni Vegorritis, erst nur 10km weit fahren, bis nach Konitsa, um uns dann - sozusagen zum Abgewöhnen, ein wenig die Füße zu vertreten.

Wir verabschiedeten uns vom Voidomatis, welcher von der Türkenbrücke nach Norden strebt, um sich nach wenigen Kilometern mit dem von Osten kommenden Aoos zu vereinigen. Der Aoos fließt weiter nach Nordwesten, um an der albanischen Adriaküste als Fluß Vjosa in das Mittelmeer zu münden.

Um nach Konitsa zu gelangen, fuhren wir am frühen Morgen den Aoos flußaufwärts. In der letzten Nacht gab es einen Wetterwechsel mit heftigen Gewittern in den Bergen. Der Himmel hatte sein Blau verloren und zeigte sich verschleiert, die Luft war schwül und trübe. Über dem uns entgegenfliesenden Aoos bildeten sich träge Nebel.

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Das Ziel der geplanten Wanderung war das auf einer Felsnase stehende, hoch über dem Aoostal thronende Kloster Stomio. Der Weg dorthin verläuft südlich des Flußes, deshalb bogen wir vor Erreichen der Stadt Konitsa rechts ab und gelangten über eine durch Steinschlag gefährdete Straße an die Brücke von Konitsa.

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Das also ist die bekannte osmanische Bogenbrücke, mit der Festungsanlage am anderen Ende. Ich habe schon viele Bilder davon gesehen, aber man muß selbst davor stehen, um die Wirkung des der Zeit trotzenden Bauwerkes zu spüren.

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Am Fuß der Brücke erspähten wir einen kleinen freien Platz, der sofort zum Stellplatz erklärt wurde. Das Heck des Womos schon etwas im Gebüsch - so sind die Fahrräder nur schwer zugänglich - ragt die Nase von "Apollo 13" nicht mehr in den Fahrweg.

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Aus der Heckklappe waren schnell die nötigen Utensilien hervorgekramt, welche uns erneut in Wanderer verwandelten und es konnte losgehen. Waldameise sichert erst einmal, die Luft ist rein, wir können losmarschieren.

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Und wieder einmal vibrierte die Luft vor Licht. Die leichte Trübung sorgte für eine dramatische Staffelung der verschiedenen Höhenzüge und schuf eine grandiose Tiefe. Der Blick hing so sehr an der im morgendlichen Gegenlicht verzauberten Landschaft, daß ich die Wunde, welche die Straße dem Tal zufügt, die meiste Zeit nicht sah. Weiter flußaufwärts gibt es eine Stelle, an welcher Wildwasserbote zu Wasser gelassen werden können, und irgendwie müßen die Transporter dort auch hinkommen.

So hat im Leben alles seinen Preis.

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Wir tragen seit Verlassen der Meere den Ozean noch immer in uns. Kommt es von daher, daß Wasser eine geradezu magische Kraft auch mich ausübt? Jedenfalls konnte ich der Versuchung nicht widerstehen, immer wieder über die wenigen Meter Felsgestein zu klettern, welche die Straße vom Bett des Aoos trennen.

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Über den weiteren Weg gibt es nicht viel Neues zu erzählen. Nur, daß im Reiseführer etwas von einem kleinen Maultierpfad stand und wir bis zum Kloster auf einer befahrbaren Schotterpiste marschierten. Das Kloster selbst ist klein und macht nicht besonders viel her, aber der Platz, auf dem es steht, der ist einmalig. Ja, darin haben sie Talent, die Griechen, im Auffinden der schönsten Plätze für ihre Klöster.

An der dem Tal zugewandten Seite des Klosters befindet sich, an der Spitze der Felsnase, ein großes hölzernes Kreuz, ein idealer Platz, um wieder einmal andere Gedanken zu denken.

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Von dort oben hat man, wie aus einem Adlerhorst, einen schwindelerregenden Einblick in beide Richtungen des Aoostales.

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Waldameise war es, die beim Aufstieg bemerkte, dass die Serpentinen der Schotterstraße immer wieder von Fußpfaden gekreuzt wurden. Auch die im GPS aufgezeichnete Spur war nicht wirklich mit dem eingezeichneten Wanderweg in Deckung. Das könnte bedeuten... ja - das wäre einen Versuch wert! Auf dem Rückweg verließen wir bei der ersten Gelegenheit die Schotterpiste und folgten dem Fußpfad in das Dunkel des Waldes. Unglaublich, umhüllt von Zweigen und Blättern, auf weichem Waldboden, nur wenige Meter von der Straße entfernt, war man in einer anderen Welt.

Der Weg zurück war kein Vergleich mit dem Hinweg, in jeder Hinsicht. Wir waren die unattraktive Schotterpiste los, damit leider auch den Aoos. Und der Maultierpfad war viel, und ich betone - viel - schweistreibender, dafür aber unglaublich aufregend. Ja, wir hatten ihn gefunden, jenen alten Maultierpfad, für welchen Felsnasen nicht einfach wegbaggert wurden, sondern der diese umlief, wenn das auch bedeutete, dass man von beinahe Talsole bis beinahe Oberkante der Schlucht hinauf musste. Es gab einige Stellen, an welchen man am besten nicht strauchelte,

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und immer wieder gab es Zeugnis davon, daß dieser Weg über viele Jahre mit einfachen Mitteln gangbar gemacht und erhaltenworden war,nach dem Bau der Straße dürfte sich das leider ändern.

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Nach weiterem auf und ab, über teilweise von Büschen zugewachsene Pfade, alle frisch gesponnenen Spinnweben erntend, erreichten wir kurz vor der Brücke wieder die Straße, welche uns erst vor wenigen Stunden in das Aoostal hinein führte.

Unser Womo wartete geduldig, wir nahmen ihm die Augenbinde ab, verstauten die Wanderer wieder in der Heckklappe und studierten bei kühlen Getränken unsere Reiseunterlagen.

Nach dem Ablegen ging es zuerst nah an der albanischen Grenze entlang, in Richtung Nordosten dem Fluß Sarantaporos folgend, bis nach Theotokes. Unterwegs probierten wir einmal mehr die Schuhe des Herrn Schulz, und siehe, sie schlabberten nicht mehr ganz so sehr um unsere Füße, wie sie das am Anfang unserer Reise taten, aber eine Nummer zu groß waren sie immer noch. Stand doch in dem Reiseführer, daß es im Sarantaporos herrliche Badegumpen gäbe. Ja, sie gibt es immer noch, allerdings haben die Götter vor den Erfolg den Schweiß gesetzt; die Fahrt zu den beschriebenen Stellen zwang uns manchmal Wendemanöver auf, die nur durch mehrmaliges 20cm weites "Vor und Zurück" gelangen.

Eine dieser Stellen wurde durch interessante Brücken geziert, eine willkommene Abwechslung vom Kilometerfressen auf der anscheinend nur von LKWs befahrenen Route in Richtung Thessaloniki.

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Was mich auf dieser Strecke immer wieder fasziniert, das ist diese Landschaft, die mich an die nordamerikanischen Canyons erinnert. Bizarre Auswaschungen formen die Hänge zu skurrilen Gebilden, das besondere hier, im Norden Griechenland, ist die Farbe des Gesteins. Von düster bis beinahe schwarz, reicht die Färbung.

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Dort, wo die nackten Felsen zu sehen sind, glänzen die Flanken speckig, wie Kohle.

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Wir haben uns - dem Womo sei Dank - zwei kleinere Brocken von diesem Gestein mitgenommen. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich, daß das Gestein sehr vielfarbig ist, von schwarz, über dunkelblau, dunkelgrün, jadefarben bis gelbgrün.

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Bei Theotokos schwenkt die Straße Richtung Osten, der Verkehr ist gering, der Tempomat steht auf beschaulichen 80 km/h, so muß ich vor den Kurven nicht bremsen. Das gleichmäßige Brummen des Diesel fordert seinen Tribut, Waldameise schläft den Schlaf der Gerechten, mich hält das Fahren wach. So erreichen wir Neapolis. Und da geschieht es wieder; Waldameise wird mir wohl ewig ein Rätsel bleiben. Sie macht die Augen auf, "Hier muß gleich diese kleine Garküche kommen, von welcher wir so begeistert sind!", ruft sie aus, ich hätte eher "wo sind wir?" gestammelt. Ich kann mich zwar gut an diese Garküche erinnern, aber Neapolis bringe ich damit nicht mehr in Verbindung, geschweige denn eine wuselige Durchgangsstraße, wie sie in jeder kleineren griechischem Stadt existiert. Hoffentlich hat sie recht, denke ich noch, und schon kommen genauere Navigationsangaben. Was soll ich sagen, sie hatte recht, eben fuhren wir daran vorbei. Also wird gewendet, in diesem Tumult eine kleine Herausforderung, dann versuchen wir einen Parkplatz zu finden, das war eher eine große Herausforderung. Wir fuhren langsam an jeder Seitenstraße vorbei, nach einer ausreichend großen Parklücke spähend. Das perfekte Timing beachtend, nahm die Besatzung eines französischen Womos die Weiterfahrt auf, genau vor unserer Nase, na, wo die Platz hatten, da passen wir zweimal hinein; Merci!

Danke Waldameise, ohne dich wäre ich an diesen Köstlichkeiten vorbeigetuckert.

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Nach dem Essen trieb es uns weiter nach Norden, an die Südspitze des Kastoriasees, von dort gen Nordosten, bis an die Westseite des Limni Vegorritis, nach Aghios Panteleimo. Der Reiseführer nannte in dieser Stadt einen aufgegebenen Campingplatz, dessen Terrassen nach wie vor als freier Stellplatz genutzt werden können. Wir fanden schnell den Schotterweg, welcher von der Hauptstraße abzweigte und sich weiter abwärts,Richtung Seeufer, schnell den Blicken entzog. Ameise übernahm die Erkundung, während ich im Womo wartete.

Sie war schnell wieder zurück und brachte frohe Kunde, wir seien richtig, laut Auskunft eines hier wohnenden Griechen darf man den Platz benutzen und der Grieche saß auf einem Traktor; das muß man sich merken, auch wenn der blaue Himmel vorerst nicht mit Regen drohte.

Vom nach unten führenden Weg konnte man nach rechts, in die für jeweils ein Womo geeigneten ebenen Stellplätze, einbiegen. Der Untergrund bestand aus Gras und das Gras war kurz gemäht. Ich muß schon sagen, für einen kostenlosen Stellplatz, an diesem schönen See ,war das mehr, als ich mir je hätte träumen lassen.

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Wir übernachten in einer Stadt, na dann, wie wäre mit einer netten Taverne? Ich höre keine Gegenstimmen, somit gilt der Vorschlag als Beschlossen; wer sagt denn, daß man von unseren Politikern nichts lernen könnte. Wieder oben auf der Straße, diesmal "me ta podia", konnte man links gehen, oder nach rechts gehen, oder den Blick geradeaus und nach oben lenken. Auf dem langen Balkon des Hauses saß in der nachlassenden Tageshitze eine kleine Gruppe Griechen, die unser Tun genau beobachtete. "Kalimera sas, ti kanete?" Das ist die reinste Zauberformel, wenn man mit Griechen in's Gespräch kommen möchte. Zum einen sehen sie es gerne, wenn man sich um ihre Sprache bemüht, zum anderen ist die Höflichkeitsform ein gern gesehener Respektbeweis. Und das Repertoire eines ernsthaften Touristen sollte solche Floskeln auf jeden Fall beinhalten.

Meinen erhobenen Zeigefinger wieder nach unten nehmend, gestehe ich ein, daß der sich anschließende "Informationsaustausch" mit griechisch nicht mehr viel gemein hatte. Bis schließlich einer der älteren Herren demonstrierte, daß von seinem langjährigen Deutschlandaufenthalt noch respektable Sprachkenntnisse übrig geblieben waren. So war das Wesentliche schnell geklärt; ja, es gibt zwei gute Restaurants, eines die Straße rechts runter, aber von hier aus nicht zu sehen, das andere links gelegen und nur 100m entfernt.

Lauffaul gaben wir dem nahegelegenen Haus den Zuschlag. Eigentlich war es ein mehrere Häuser umfassendes Anwesen, mit bunt angestrahltem Springbrunnen aber unglaublich netten Bediensteten. Nun ja, sieht schon sehr touristisch aus, bemäkelte ich, aber sonst war's nicht schlecht. Dabei war die Wahl ein Volltreffer. Touristisch ja, aber eben nicht international. Der Limni Vegorritis ist der größte See Griechenlands und ein beliebtes Ziel für Ausflügler. Wir erhielten einen Platz auf einer überdachten Terrasse, und gegen später wurde es durch den aufkommend Wind sehr frisch, wir wurden deshalb gebeten, uns in eine bestimmte Ecke der Terrasse zusammenzusetzen, die einzelnen Abschnitte waren bei Bedarf durch herunterlassen von Zeltbahnen abschottbar.

Es fing also schon mal gut an, ging genau so gut weiter (typische Essensfolge und alles sehr schmackhaft) und hörte noch besser auf, nämlich so:

"Wie wär's, Waldameise - einen Absacker zum Schluß?", "Da sage ich nicht nein". Mich an die Bedienung wendend, " Wir hätten gerne noch zwei Tsipporo".

"Oh, ich bitte vielmals um Entschuldigung, das war mein Fehler, kommt sofort!">

Beim Bestreben, von dem drei Finger hoch das Wasserglas füllendeGetränk möglichst jeden Tropfen zu verwerten, überlegten wir, warum sich der Kellner entschuldigte. Als die angeforderte Rechnung den Schnaps nicht enthielt, wurde unsere Vermutung zur Gewissheit; ein letzter Schnaps auf Rechnung des Hauses gehört auch hier zum guten Ton.

"Efkaristo para poli!" Sind wir mal wieder in der Nähe, kommen wir ganz sicher wieder.