Der Dorfbrief von 1350

Transkription:

Wir Herman von gottes verhincknuß abbt, mit unß der convent gemainchlich des closters sant Michahels und unser frauwen zu Fultenbach, urkunden offenlich an disem brieff, das wir mit eynhelligem mute, gunst, willen und ratte verlichen haben unsers closters recht eygen Bairshofen genant den beschaiden leyden Conraten dem birger, Fridrichen dem hucker, Ulrichen dem bader, Fridrichen dem Encker, Conraden dem waysen, Werhern Walter und iren erben und all iren hausgenosen und nachkommen und iren Erben mit diser beschaidenhait, das wir zu dem ehgenannten dorf Bairshofen gut haben sillen einsundzwanzig Lehen und die sillen sie uns verdienen järlich mit zehenden und mit gelt, als hie nach an disem brieff geschriben stat.

Man soll wissen, das sie uns geben sollen von yedem lehen zegelt ein pfund haller guter und gäber järlich unserm closter acht tag vor sant Martins tag oder acht tag darnach und zogenlich on allen unsern schaden, und iren zehenden clainen und grossen, wo er gefellet on gevarde, von allen iren sachen, als man zehenden durch recht geben soll; wan als vere das jedes lehen geben soll für allen hewzehenden ein schilling haller guter und geber und zway höhner, ein vaßnachthön und ein voggthen.

Man sol wissen, das wir in das obgenant dorf Bairshofen verlichen haben yedem lehen zwelf jauchart acker feldigklich, ein jauchart ackers an hofe und an garten und sechsunddreyssig tagwercks mades in dem Tonawried und alles das wismad, das von alter darzu gehert und als es in mit rechtem messe und mit gnaden, mit unsern guten willen ist gelet ze wasen und ze rechtem rain.

Man soll wissen, das wir das maisterlehen zu Bairshofen aun das gericht und aun den gewalt verkaufft haben, und sol uns das järlich verdienen als ander lehen mit zehenden und mit gelt vnnd mügen wir unsere recht geben zu kauffen einem beschaiden man, da uns und dem dorf zuzuraten ist, wen wir wollen.

Man sol wissen, das ein maister richten soll uber all sach, wann uber drey sach, das ist diepstal, notzunft und fliessend wonden. Dieselben sach soll unser closter und sein voggt miteinander richten, und soll in des der maister und die baurschafft beholfen sein, wann als vere, das man unserm closter fliessend wonden besseren soll mit einer pfund haller oder mit einem alten ochsen.

Man soll wissen, das wir ir dorff besachen söllen mit einem vaselrind, einern berschwein, einem wider und einem gantzen und die sillen wir in haben aun schaden..

Man soll wissen, das wir sy besachen sollen mit gotz recht, wann als ver, ob vnß kain schad an reichte dar für zu ziehen were; so sollen sy unß daran beholfen sein mit sagtner beschaidenheit, das wir es des baß gethun mügen. Man soll wissen, ob yemand uff keim lehen sturb, der sein gnoß ist, der sol geben von dem lehen zu haubtrecht fünf schilling haller unserm closter.

Man soll wissen, das wir unser gelt vordern sollen das dem maister und anderso nyedert.

Man soll wissen, ob ein man sturb auff einem lehen, des wirti und seine Kind darauff nicht wölten besitzen, den soll der maister und wer gewaltig ist, ir lehen helfen verkauffen nach iren trewen und ir gut daroab zu fürin so sy best mügend on gverde.

Man sol wissen, ob ein man vor not dingfluchtig wurd, und ob der sein lehen wolt verkauffen und er da bey nicht dorst gesein, wenn sein lehen mag er nicht verwircken, seinen leib mag er wol verwircken, dem sol der maister und die gebaurschafft mit des closters willen sein lehen verkauffen, so sy best mügend und im oder seinen erben ir gelt darumb behenden ongeverde, so sy best mügen. Ob aber er und seinen erben ir lehen ain jar, zway und an des dritt das gebauen und ongelt liessen sein, damit söllend sy ir recht nit verloren haun mit der beschaidenheit: kem er oder sein erben und brecht an dem dritten jare sein versessen gelt als recht ist und behendte die dem maister, das es dem closter gewiß wer, damit söllen sy ire recht nit verloren haun. Ob des nicht were, so sol der maister und die gebaurschafft das lehen verleichen, so sie best mügen, das dem closter sein gelt und zehend davon werde, alß vor geschriben ist. Und wen das were, das er oder sein erben darzu kören wöltend, er es dann gebauen hatte, dem soll man uff vier belehnt man abtun, den er sein genommen hatte.

Man sol wissen, das sy haben sollen zu dem egenanten dorf yedem lehen ein freyer fail, ein frey hirtschafft und ein freyen schmidstat.

Man sol wissen, das ein lehener mag verkauffen von seinem lehen wiß und acker, halb oder gare, wann als ver das dem closter und dem dorf nit verloren sey und dem closter sein gelt und sein zehend nicht austlig. Man soll auch im und seinem erben, waß sy darvon verkauffend, versetzend, widergen ze lösen, wenn sy mügend nach zweyer lechner räte.

Man soll wissen, wer ein lehen verkaufft, der soll dem maister gen achthalben pfennig, und der da kaufft, der geit finfthalben pfennigen.

Man soll wissen, wer ein lehen wolt ansprechen, da sol er thun in dem bauding, und mag er gehaun an yeder zwen belehend erber man, dei unversprochen sind, und zwen ander erber man ir genossen, so er wolfaren mit dem rechten, darzu sol erlegen in den kraiß sechzig pfennig und ein pfand dem master zu beweysung. Wer das er jar und tag were in den vier welden und des nicht entat, so sol er kain recht fürbas dazzu haun. Were aber, ob er in den vier welden nicht enwere und des mit erbern leuten möchte beweysen, so sol er kain sein recht nicht verloren haun.

Man sol wissen, ob der maister oder ein ander haußgenose in dem dorf gesessen wöre, da dem closter und dem dorf sagtne sach von zugienge, des sy schaden nemen und nicht gemain wolt sein, dem sol man uf vier gesessen man sein lehen abgelten, und sol er und sein erben des gehorsam sein aun widerred.

Man sol auch wissen, das der maister ein dingkflichtigen man und ein gefähen, sein gelt umb sein lehen, da es umb verkaufft wird, antwurten und bringen sol von dem dorf allernechst gen holtz, so er best mag on all geverde.

Um das im und allen iren erben und haußgenossen und nachkomen und iren erben das alles stät und gantz beleibet geben wir in disem brieff versigleten mit unserm und unsers convents insiglen, die baide daran hangend zu einem waren urkunde. der geben ward do man zalt von Christi geburt dreyzehenhundert jar und darnach in dem funfzigsten jaren an Sant Matheiß tag. [24.2.1350]

Erläuterung:

(Die Herkunft dieser Erläuterungen ist unklar, dürfte aber auf den Historischen Verein Dillingen zurückgehen)

In dem Dorfbrief werden sechs Männer namentlich genannt, die die Rodungen durchgeführt haben und auch die ersten sechs Höfe oder Lehen erhielten. Das waren: Conrat der birger, weil er als erster genannt wird, dürfte er das Meisterlehen erhalten haben, dann Fridrich der hucker, Ulrichen der bader, Fridrichen der encker, Conraden der wayse und Wernher Walter. Diese Lehen sollen weitergegeben werden an die Erben, deren Hausgenossen und Nachkommen, die sie dann wieder an ihre Erben weitervererben sollen.
Des weiteren erhielten die sechs genannten Männer die Bedingung auferlegt, dass sie insgesamt 21 solche Lehen anzulegen haben, die alle die gleichen Rechte und Pflichten haben werden, wie die ersten Lehen auch. Jedes Lehen soll, wenn das Rodungsziel erreicht ist, folgende Größe haben: einen Hof und Garten mit 1 Jauchert (ein Jauchert ist 0,50 ha) 12 Jauchert Ackerland "feldigklich" bedeutet, dass jedes Feld der Dreifelderwirtschaft 12 Jauchert haben soll, also zusammen 36 Jauchert. Dann 36 Tagwerk (1 Tagwerk = ca. 0,33 ha) Wiesen im Donauried und alle die Wiesen, die bisher schon dazu gehörten. Eine bestimmte Größe wird hier nicht genannt. Die Wiesen im Donauried, die "in der Roßau zu Weißingen'' beziehungsweise "am Rosengraben am Weisinger Rohr", etwa 10 km von Baiershofen entfernt lagen, waren wegen der großen Entfernung bis zum Ende des 16. Jahrhunderts alle an das Kloster Fultenbach verkauft worden [wohl nicht die Wiesen selbst, diese gehörten ja sowieso dem Kloster, sondern nur das Recht der Bewirtschaftung]. Dafür wurde den Baiershofern erlaubt, ihr Vieh in den Wäldern des Bischofs von Augsburg weiden zu lassen. Dort konnten sie auch einige Waldmähder anlegen.

Die Lehen, die ja alle zu Erblehen verliehen wurden, hatten folgende Abgaben zu leisten: jährlich 1 Pfund Haller, den Groß- und Kleinzehent, 1 Schilling Haller für den Heuzehent, 1 Faßnachtshuhn und 1 Vogthuhn.

Der Meister auf seinem Lehen war größtenteils. von den Abgaben befreit. Dafür musste er von den anderen die Abgaben für das Kloster einheben. Auch hatte er die niedere Gerichtsbarkeit im Dorf. Da hatte er über alles zu richten, außer über folgende drei Dinge, das war über Diebstahl, Notzucht und fließende (blutende) Wunden. Diese drei Angelegenheiten behielt sich das Kloster selbst zur Aburteilung vor. Der Kleinzehnt [Abgaben für das Vieh; der Großzehnt bezieht sich auf Feldfrüchte] ging zu zwei Drittel an den Meister, zu ein Drittel an den Pfarrer.

Die Grundherrschaft ließ für das Vieh im Dorf einen Bullen, einen Eber, einen Ziegenbock und einen Gänserich halten. Die Beanspruchung dieser männlichen Tiere war für die Lehner und Viebhalter den Dorfes frei. Ebenso hatten sie freies Weiderecht für ihr Weidevieh und auch freie Schmiedestatt im Dorf.

Wenn ein Lehner starb, hatte der Erbe oder Übernehmer des Lehens 5 Schilling an die Herrschaft zu entrichten. Wurde ein Lehen verkauft, so musste der Verkäufer 7 1/2 Pfennig und der Käufer 4 1/2 Pfennig an die Herrschaft zahlen. Den Lehnern und Söldnern wurde auch erlaubt, einzelne Äcker und Wiesen zu verkaufen, ohne aber dem Dorf und dem Kloster zu schaden. Dieses hieß, dass sie diese Grundstücke nur an Ortsansässige verkaufen konnten, denn nur bei diesen konnten die fälligen Abgaben, wenn es notwendig war, auch beigetrieben werden.

Wollte ein Auswärtiger ein Lehen kaufen, so konnte er es nur im "Bauding'' tun, einer Art Gemeindeversammlung, so, "als ob er in den vier Wäldern wäre". Dieser Ausdruck, der uns in einigen Urkunden der damaligen Zeit immer wieder begegnet, war in dieser Zeit eine Art Redewendung und bedeutete so viel wie innerhalb der Landesgrenzen. Der Wald, der damals fast immer zwischen den Ortschaften lag, bildete auch immer die Grenze zwischen diesen Orten. So war der Wald damals fast immer gleichbedeutend mit der Grenze. Die Redewendung, "als ob er in den vier Wäldern wäre". bedeutete für den Käufer, dass er aus der näheren Gegend sein musste. So konnte seine Herkunft und sein Ruf leichter überprüft werden. Das ging schon daraus hervor, dass er zwei ehrbare Lehner und zwei andere ehrbare Männer als Bürgen haben musste, um im Bauding kaufen zu können. Um aber auch hier prüfen zu können, ob diese Männer auch ehrbar sind, mussten auch diese entweder aus dem Dorf oder aus der näheren Umgegend sein.

Wenn nun diese Bürgen zufriedenstellend über den Käufer aussagten, konnte er das Lehen kaufen. Dazu soll dieser sechs Pfennig in den Kreis legen und ein Pfand, mit dem er den Meister und die anderen von seinem Kaufwillen überzeugen sollte. Dieses so genannte Draufgeld oder Handgeld hat sich bei ländlichen Käufen oder Verdingungen bis in die heutigen Tage erhalten.

So wurde damals auch in Baiershofen mit dem Dorfbrief, für die Gründung und für die Zeit danach, fast alles geregelt, was es für die damalige Zeit und für die damaligen Verhältnisse in einem Dorf alles zu regeln gab. Es wurden die Rechte und Pflichten, die Abgaben und auch die Dienste, die so genannten Frondienste für die Herrschaft festgesetzt. Die Überwachung dieser Anordnungen und der Regeln für das Dorf lag von Anfang an bei den Pflichten und Aufgaben des Meisters.

Die Verordnung aus dem Jahre 1350 wurde unter Abt Ulrich III. Frey im Jahre 1444 abgeschrieben und zugleich durch einen neuen von Bischof Peter von Augsburg bestätigten Vertrag erneuert, dahingehend, dass alle Inhaber von Lehensgütern und Sölden in Baiershofen dem Klostergericht dienst-, steuer- und vogtbar, botmäßig, untertänig und gehorsam und auch zu Frondiensten verpflichtet sind.