Mein Workflow
Eins möchte ich gleich vorangestellt wissen:
Die Nachbearbeitung von digitalen Bildern ist kein Schummeln, Verfälschen oder was sonst auch immer Verwerfliches, sondern ist das, was man vorher "Entwickeln" nannte.
Das digitale Bild, wie es aus dem Sensor ausgelesen wird, ist das "Negativ", auch wenn dieser Begriff vom technischen Aspekt her nicht mehr stimmt, da der Sensor nicht die negierten Helligkeitswerte enthält, dafür aber 3 Schwarzweißbilder, eines für die Lichtwerte von Rot (R), eines für Grün (G) und eines für Blau (B), die Bestandteile eines RGB - Farbbildes.Das Tollste aber ist, daß es für einen einzelnen Bildpunkt entweder einen R-Wert gibt, oder einen G-Wert, oder einen B-Wert. Die jeweils 2 fehlenden Farbwerte werden von benachbarten Pixeln geholt und interpoliert!
Was ist also dann das unverfälschte Bild, das die Wirklichkeit darstellt?
Um vom digitalen "Negativ" zum eigentlichen Bild zu kommen, müßen folgende Schritte durchgeführt werden:
1) Interpolation der RGB Werte
2) Festlegung des Weißpunktes (wie soll "Weiß" aussehen) Stichwort: Farbtemperatur
3) Festlegen des Kontrastumfanges (welcher Helligkeitswert soll als Weiß und welcher als Schwarz dargestellt werden)
4) Technisch bedingt werden digitale Bilder beim Auslesen aus dem Chip unscharf gemacht; dieser Schritt muss später wieder rückgängig gemacht werden (Scharfzeichnen)
Wer macht wann die genannten Bearbeitungen?
Ist der Photoapparat so eingestellt, daß er JPEG Bilder produziert, werden alle 4 Schritte vom Bildbearbeitungsprozessor des Photoapparates automatisch durchgeführt. Dabei können die Prozesse durch Einstellungen im Menü beeinflußt werden (Farbtemperatur: automatisch, Sonne, bewölkt, Schatten, Blitz, Glühlampe etc.), bei Kontrast und Schärfe kann die Stärke des Effektes vorgegeben werden.
Vorteil des JPEG Modus:
Die Bilder kommen fertig aus der Kamera, es muss keine Zeit für die Entwicklung aufgebracht werden.
Nachteil: Die Elektronik legt die Farbtemperatur fest, Änderungen sind nachträglich nicht mehr möglich. Kontrast und Schärfe lassen sich zwar noch Ändern, aber bei weitem nicht mehr in der Qualität wie am Anfang.Photographiert man im "RAW" Modus, kann man Bilder erhalten, bei welchen die Elektronik der Kamera nur die RGB Interpolation vornimmt.
Der Photograph legt bei der Entwicklung fest, welche Farbtemperatur, welchen Kontrast und Schärfe das Bild haben soll. Dabei bleibt das Negativ (RAW Bild) erhalten, man kann je nach Zweck das Bild schärfer oder weniger scharf entwickeln (z.B. für den Druck oder für den Bildschirm) etc. .
Der Nachteil der RAW-Bilder kann leider nicht verschwiegen werden: Jedes Bild muss entwickelt werden, dies ist ein beträchtlicher zeitlicher Aufwand!
Wie sieht nun mein Workflow aus?
RAW Converter
Ich photographiere ausschließlich im RAW Mode, dabei ist die Kamera so eingestellt, daß sie möglichst keine Nachbearbeitung vornimmt.
Der erste Schritt der Bearbeitung ist die Umwandlung des Bildes vom RAW-Mode in den TIFF-Mode. Ein TIFF Bild braucht mehr Speicherplatz als JPEG, wird dafür aber verlustfrei gespeichert, d.h. auch nach zig-mal Laden, Bearbeiten und Speichern wird die Bildqualität nicht schlechter.
Bei dieser Umwandlung wird die Farbtemperatur, die Bildhelligkeit und der Kontrast festgelegt. Ziel: Eine empfindungsgemäß richtige Farbgebung, keine ausgefressenen Lichter oder abgesoffene Schatten.Als RAW Converter verwende ich Capture One, Version 4.
Das folgende Bild ist von RAW konvertiert, ohne Änderung von Parametern. Dabei werden für den Weißabgleich die Einstellungen an der Kamera verwendet, wie diese beim JPEG-Modus verwendet worden wären.
(Anmerkung: Ein Klick in das Bild zeigt dessen größere Variante)
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Im gezeigten Bild hat der hohe Rotanteil der Abendsonne dazu geführt, daß die Automatik einen Ausgleich in Richtung Blau vornahm. Das Ergebnis ist nicht schlecht, der Farbton entspricht dem, der am Tag zu erwarten ist. Nur, es war eben nicht Tag und das Licht war nun einmal extrem "warm".
Weiter fällt die Unschärfe auf und das Bild wirkt flau, da es zu kontrastarm ist.
Das folgende Bild hat eine höhere Farbtemperatur (6600 Kelvin statt 5700), der Kontrast wurde leicht erhöht, die Schärfe blieb unverändert.
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Nachbearbeitung
Für alle weiteren Bearbeitungen verwende ich Photoshop mit von anderen Lieferanten bezogenen Modulen (z.B. für die Scharfzeichnung!).
Für das nachstende Ergebnis wurde folgendes getan:
Der Kontrast wurde so erhöht, daß die hellsten Stellen nicht zu hell und die Dunkelsten nicht zu dunkel wurden. Und das Wesentliche dabei: Ich kann das Ergebnis kontrollieren, kann korrigieren und muß das Resultat nicht unwiderruflich der Automatik der Kamera überlassen!Des weiteren wurde das Bild scharfgezeichnet, ebenfalls kontrolliert und ohne die oft zu sehenden Artifakte.
Als letzter Schritt wurden die Ränder des Bildes ein wenig abgeschnitten, so daß das Verkehrsschild am unteren Rand nicht mehr zu sehen ist.
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Und jetzt, Hand auf's Herz. Wenn ihr schon einmal diese Berge im warmen Licht der Abendsonne gesehen habt, welches der Bilder hier gibt die Wirklichkeit verfälscht, und welches gibt sie realistisch wieder?
Das Entwickeln der Bilder hat nicht zum Ziel, die "Wirklichkeit" zu verändern, sondern die "Fehler" einer unzulänglichen Technik zu korrigieren.
Ich hoffe, ich konnte die Fragen zu meinem Workflow beantworten.
Grüßle
Waschbaer